Bei der DeliriusTech AG ist heute wieder einer dieser Tage, an denen alles drüber und drunter geht. Nichts läuft wie vorgesehen, überall tauchen Probleme auf, und alles nur wegen ein paar Wörtern.
Vorweg: Die DeliriusTech AG ist ein fiktives Unternehmen. Stellen wir uns vor, das Murphy-Gesetz schlägt bei unserer DeliriusTech AG zu und alles, was schiefgehen kann, geht auch schief – zumindest terminologisch. Dies führt zu folgendem, leicht apokalyptisch anmutendem Szenarium.
Im ersten Stockwerk rauben endlose Diskussionen den Mitarbeitern Zeit und Nerven. Ein ungeduldiger Mitarbeiter verlangt vom Werkstattleiter den angeblich verspäteten Prototyp eines speziellen «Kugelventils». Der Werkstattleiter versteht darunter ein «Rückschlagventil». Ein solches war weder bestellt noch angefertigt worden. Der Mitarbeiter meinte jedoch einen «Kugelhahn», und selbiger war längst geliefert.
Eine Etage darüber herrscht Aufregung. Die externen Übersetzer haben schlechte Arbeit geliefert. Dabei hatten sie doch eine Wörterliste mit immerhin 30 Einträgen erhalten. Es hilft nichts. Die Übersetzungen müssen neu angefertigt werden. Neues Team, neues Glück. Vor dem ersten übersetzten Wort sollen die neuen Übersetzer geschult werden, damit sie dieses Mal verstehen, worum es überhaupt geht. Als würde das nicht reichen, stürmt in der dritten Etage der Finanzleiter wütend ins Büro der Stammdatenverwaltung. «Bergmann, eine Katastrophe!», sagt er. «Unsere Tochtergesellschaft in Ungarn hat 100000 Maschinenteile aus Titan statt aus Stahl hergestellt. Kostenpunkt: 1,5 Millionen Franken. Dreimal dürfen Sie raten, warum.» Was war passiert? Im PDM fanden sich die Bezeichnungen «S-Stirnradgetriebe» für solche aus Stahl und «T-Stirnradgetriebe» für die Standard-Ausgabe aus Titan. Im ERP war jedoch nur «Standard-Stirnradgetriebe» zu finden. Und so wurden also anstatt «S-Stirnradgetriebe» aus Stahl «Standard-Stirngetriebe» aus Titan bestellt.
Und im obersten Stockwerk: Mit Schweissperlen auf der Stirn plagt sich der Geschäftsleiter mit einem Gerichtsverfahren herum. Wegen eines falsch übersetzten Sicherheitshinweises in der technischen Dokumentation kam es während der Wartung einer Walzmaschine im Werk eines Kunden zu einem tragischen Personenunfall. Das alles muss nicht sein. Terminologiearbeit regelt die Sprache in Unternehmen so, dass verschiedene Begriffe, also abstrakte Denkeinheiten, klar voneinander abgegrenzt und konsistent benannt werden können. Zu diesem Zweck wird für den jeweiligen Begriff ein Eintrag mit einem kurzen und abgrenzenden Definitionstext in einer Terminologiedatenbank erstellt. Diesem Eintrag werden eine erwünschte Benennung und in diesem Kontext bekannte unerwünschte Benennungen sowie erlaubte Synonyme oder Abkürzungen hinzugefügt. Zusammen mit grammatikalischen, projektbezogenen Informationen bildet das Ganze eine terminologische Einheit. Die neu festgesetzte und freigegebene Terminologie wird allen internen und externen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt und verwendet.
Auf diese Weise erreicht das Unternehmen nach und nach eine konsistente und unmissverständliche Sprache. Dies hat eine erheblich bessere Qualität zur Folge und spart auf Dauer Kosten.
Bei der Terminologiearbeit geht es eben um mehr als nur um die Erstellung von Wörterlisten. Es geht darum, klare Verhältnisse zu schaffen. Eine gut funktionierende Kommunikation innerhalb des Unternehmens selbst und bei der Interaktion mit Kunden, Lieferanten und Partnern ist für den Erfolg eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter essenziell.
PDF zur Original Datei: Kolumne in der Fachzeitschrift aktuelletechnik.ch, 2|2014: